Frauen haben die Nase vorn: Parfumeur werden

Wie wird man Parfumeur? Und vor allem: Wie erfolgreich kann man als Parfumeurin sein? YBPN hat in der Szene geschnüffelt und gute Nachrichten: Weibliche Nasen sind außerordentlich erfolgreich!

von Daniela Jambrek

31. Dezember 2019

Frauen sitzen an einem Tisch mit Duftölen bei einem Parfum-Workshop

© Maskot/Getty Images

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Niemand hat sie je registriert, offizielle Zahlen gibt es keine – nicht einmal die Bezeichnung ist geschützt: die Rede ist von Parfumeurinnen und Parfumeuren

Ihre faszinierende Tätigkeit, das Erschaffen von Kunstwerken aus flüchtigen Molekülen, die wunderschöne Erinnerungen hervorrufen, existiert als Berufsbild nicht. Was nicht etwa daran liegt, dass die Arbeit anerkannt wäre, sondern schlicht an dem Umstand, dass der Beruf des Parfumeurs zu selten ist.

Insider schätzen, dass es weltweit etwa 2000 Parfumkünstler gibt – in Europa sollen es um die 500 sein, in Deutschland gerade mal 40. Doch eines ist sicher: Es werden mehr. Und sie sind weiblich.

Parfumeure aus Holzminden

In der „Parfumeurs Akademie“ in Holzminden, Deutschlands Talentschmiede für Duftkunst, die vom international agierenden Aroma- und Duftkonzern Symrise eingerichtet wurde, haben in diesem Frühjahr sieben Talente aus vier Nationen ihre Ausbildung erfolgreich abgeschlossen. Alle sieben sind Frauen.

„Gegenüber meinen jüngeren Jahren hat es sich deutlich verbessert!“, freut sich Patricia de Nicolaï. Die unabhängige Parfumeurin aus Paris gründete im Jahr 1989 ihr eigenes Label und ist seit 2008 Präsidentin der „Osmothèque“, einem berühmten Parfümmuseum in Versailles.

„Nach meinem Studium suchte ich nach einem Job als Juniorparfumeur und als Frau, es war nicht einfach!“, erzählt sie in ihrer Biografie „Nicolaï“.

Sie erinnere sich, dass ihr immer Praktika in der Evaluation, der Analyse vorgeschlagen wurden, aber nie in der Kreation. Diese geschlechtsspezifische Diskriminierung sei nicht fair gewesen, aber damals die Regel.

Selbst die Herkunft aus einer Duftdynastie war kein Garant dafür, Parfumeurin zu werden

Auch Vitamin B oder die Herkunft aus standesgemäßer Familie konnte für Frauen wenig ausrichten. Selbst nicht als Mitglied berühmtester Parfum-Dynastien, denn Patricia ist eine waschechte Guerlain: sie ist die Großnichte von Jean-Paul Guerlain und Urenkelin von Jacques Guerlain. Dennoch wurde ihr kein Vertrauen in ihre Fähigkeiten entgegengebracht.

Auch an die begehrten Jobs als angestellte Kreateure in den großen Aroma- und Riechstofffirmen, die um Aufträge großer Designer und Label wie Armani, Bvlgari, Davidoff, Gucci und Yves Saint Laurent konkurrieren, war kaum zu denken.

„Selbst wenn ein Geschäfstführer oder ein Manager offen dafür war, der Chefparfumeur wollte auf keinen Fall eine Frau in seinem Team haben!“

Parfumeurin = Ausnahmeerscheinung?

Angestellte Parfumeurinnen, deren Namen in aller Munde waren, konnte man also an einer Hand abzählen. Sie waren Ausnahmeerscheinungen! Wie Sophia Grojsman, eine lebende Legende der Parfumkunst, die unter vielen anderen Klassikern auch Estée Lauders „White Linen“ von 1978, „Paris“ für Yves Saint Laurent (1983) und „Eternity“ für Calvin Klein schuf (1988).

Oder Christine Nagel, Parfumeurin von Fendis „Theorema“ (1998) und „Narciso Rodriguez for her“, den sie 2003 zusammen mit Francis Kurkdjian realisierte. Heute ist Madame Nagel „Perfumer – Director of Creation“ wie ihre Position bei Hermès heißt. Also die exklusive Haus- und Hofparfumeurin des französischen Luxushauses.

Die dritte im Bunde ist Nathalie Lorson, sie kreierte unter anderem „Bvlgari pour Femme“ (1994) und  „Wish“ von Chopard, den sie 1997 mit Kollegin Sophia Grojsman entwickelte. Auch „Encre Noire“ von Lalique aus dem Jahr 2006 stammt von der Französin, die in der Parfumhauptstadt Grasse geboren ist.

Parfumeurin werden – allein unter Männern

„Als ich die Schule absolviert habe, gab es eigentlich nur Männer in der Parfümerie – so ähnlich wie in der Gastronomie“, sagt Ursula Wandel, Kreateurin von „Hugo Woman“ von Hugo Boss und anderen Bestsellern. Als sie in den 1980er-Jahren für Givaudan in Hongkong gearbeitet habe, sei sie bei Geschäftsreisen nach Japan und Korea immer wieder angesehen worden, als stamme sie von einem anderen Stern.

Schließlich galt bis Mitte der 1980er Jahre das ungeschriebene Gesetz, dass das Wissen in der Familie, die aus Grasse, der Parfumhauptstadt in der Provence, zu stammen hatte, nur von Sohn zu Sohn weitergegeben wurde.

Heute sind Parfumeure aus traditionellen Parfumdynastien, wie zum Beispiel Jean Claude Ellena und sein Bruder Bernard, Söhne des Parfumeurs Peter Ellena und gebürtig in Grasse, selbstverständlich bereit und sogar sehr glücklich, wenn Töchter bzw. Nichten ihre Berufung teilen. Wie Céline Ellena, die gerade für L’Artisan Parfumeur „Bana Banana“ fertig stellte.

Parfumeurinnen werden zu exklusiven Nasen

Einige prestigeträchtige Mode- und Juwelierhäuser leisten sich den Luxus exklusiver Hausparfumeure – auch hier sind Parfumeurinnen inzwischen auf gleicher Höhe mit ihren männlichen Kollegen. Mathilde Laurent bei Cartier zum Beispiel, und bereits erwähnte Cristine Nagel, die bei Hermès Jean-Claude Ellena ablöste.

Muiccia Prada gönnt sich zwar keine „eigene Nase“, doch arbeitete sie ab 2003 mit Daniela Andrier, die 1988 als Trainee bei Chanel startete, bei fast allen Prada- und Miu-Miu-Düften zusammen – von der „Infusion“-Kollektion über „Candy“ bis hin zu „La Femme“ ).

Immer mehr Arbeit für Parfumeure

Der allgemeine gesellschaftliche Wandel brachte auch in die Parfumszene neuen Wind und Gleichberechtigung. Doch vor allem die rasante Entwicklung der Nischenparfumerie hat es möglich gemacht, dass seit etwa zehn Jahren immer mehr Arbeit und Volumen für das Parfumeurshandwerk entstanden sind.

In Folge dessen bildete sich Raum für kreative Ideen, für individuellere und überraschendere Formeln, für ungewöhnliche Sinneserlebnisse. Kein Wunder, dass die immer größere Nachfrage nach außergewöhnlichen Düften besonders Frauen reizt, und diese ihre Erfüllung und ihre Zukunft in der sinnlich-kreativen Welt der Parfumkunst sehen.

Sind Frauen die besseren Parfumeure?

Frauen riechen und komponieren anders als Männer – dafür erforschten Wissenschaftler der Federal University of Rio de Janeiro erste zarte Beweise: Frauen reagieren empfindlicher auf Gerüche, können einzelne Duftstoffe sicherer identifizieren und sich besser an einen bestimmten Geruch erinnern.

Für diese wahrscheinlich angeborenen Unterschiede haben die brasilianischen Wissenschaftler eine biologische Erklärung gefunden: Frauen verfügen über fast 50 Prozent mehr Nervenzellen in ihren Riechkolben als Männer. Und diese größere Zelldichte sei ein indirekter Hinweis auf eine bessere Funktion der Nervenzellen.

Überlegen sei die weibliche Welt aber vor allem, wenn es darum gehe, Düfte zu benennen und zuzuordnen, so die Ergebnisse der Studien von Professor Jessica Freiherr, die als Neurowissenschaftlerin am Klinikum der RWTH Aachen forscht. Und das ist quasi die Voraussetzung für den Beruf des Parfumeurs.

Parfumeurinnen und ihre Sommerdüfte 2019 

Welche Sommerdüfte stammen aus der Feder einer Parfümeurin? Auch bei den neuen Sommerdüften 2019 zeigen vor allem junge Parfumerinnen ihre mutigen Ideen und bannen wunderschöne Duftkombinationen in die Flakons.

Da ist zum Beispiel Amelie Bourgeois, die für das Duftlabel AETHER das Konzept der streng synthetischen Molekülkunstwerke ersann, um dann für „Le Couvent des Minimes“ vor allem natürliche und superverträgliche Zutaten für das würzig-frische  „Kythnos“ zu verwenden.

Oder Dora Baghriche, die für Chopard den neuen „Happy Chopard Bigaradia“ komponierte und mit einer kräftigen Überdosis an Bitterorange begeistert.

Für „Jimmy Choo Floral“ hat Louise Turner ein filigranes Blüten-Bouquet mit sehr sanftem Moschus unterlegt, Sonia Constant und Nadège Le Garlantezec wagten sich gemeinsam an „Narciso Rouge Eau de Toilette“ (ab Juli) und Juliette Karagueuzoglou kombiniert für das prickelnd positive Sommer-Lebensgefühl in „Floral Blush“ von Coach Goji-Beere, Grapefruit, edle Pfingstrosen und einen kräftigen Splash von frischen Pfirsichen.

Ob Domitille Michalon-Bertier, Daniela Andrier oder der neue „Rising-Star“ Fanny Ball – weibliche Parfumeure haben auch in diesem Sommer die Nase eindeutig ganz weit vorn. 

Parfumeur werden – eine weibliche Angelegenheit

Erstaunlich, aber wahr: Auf der einzigen unabhängigen, weltberühmten französischen Parfumeursschule, der ISIPCA (Institut Supérieur Inter du Parfum, de la Cosmétique et l’Aromatique alimentaire) in Versailles, deren Ausbildung weltweit als Goldstandard gilt, sind inzwischen 80 bis 90 Prozent der Masterkandidaten Frauen.

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